Brauchtum und Tradition des Oberpfälzer Schützenwesens
Eingebunden in die historische Entwicklung des Schützenwesens ist der „Oberpfälzer Schützenbund e.V.“ das Endglied einer langen Kette von Ereignissen und Entwicklungen, die in unserem Lebensraum urkundlich nachgewiesen und Mitte des 15. Jahrhunderts ihren Anfang nahmen. In Urkunden und Ratsbüchern sind die Berichte von den großen Schießen zu finden. Hier tauchen die Jahreszahlen von 1434, 1471, 1484, 1527, 1546, 1560, 1586, 1596 auf. Den zweifellos umfangreichsten Bericht über die Schützen der Oberpfalz enthält ein handgeschriebenes Buch im Besitz der Stadt Amberg, in dem von dem wohl größten in der Kurpfalz jemals abgehaltenen Büchsenschießen berichtet wird. Zu diesem Schießen, das zu Ehren des Kurfürsten Friedrich am 9. September 1596 abgehalten wurde, waren Abordnungen aus 14 Städten und 19 Märkten der Oberpfalz, sowie aus mehreren Städten von Bayern, Österreich, Böhmen, Thüringen und Sachsen eingeladen worden.
Die weitere Entwicklung der Schützengesellschaften wurde bestimmt von den Ereignissen des 30jährigen Krieges, dem spanischen und dem österreichischen Erbfolgekrieg, die schließlich zum Niedergang der Schützentradition führte. Diese negative Entwicklung war für die Landesherren Anlaß, dem Schützenwesen durch gezielte Förderungen wieder auf die Beine zu helfen. Dafür geben manche Befehle und Anordnungen, gerichtet an die Städte und Märkte Zeugnis. Das wohl herausragendste Ereignis war der Erlaß einer allgemeinen Schützenordnung vom 21. Juli 1796 für das gesamte Kurfürstentum.Waren die bisherigen Aufgaben der Schützengesellschaft bestimmt worden von der Verteidigung des eigenen, unmittelbaren Bereiches und der dazu notwendigen Übung der Bürger in der Handhabung der Waffen, so fand mit der Einführung der stehenden Heere im 19. Jahrhundert eine entscheidende Veränderung insofern statt, als die Schützen von ihren Pflichten zur Landesverteidigung entbunden wurden. Die über Jahrhunderte in wechselvoller Geschichte gewachsene Tradition der Schützen, die eine gewisse Zusammengehörigkeit geschaffen hatte, lebte jedoch weiter. Man pflegte den Umgang mit der Waffe auf freiwilliger Basis.
Das Schießen nahm einen sportlichen Charakter an und führte zum Zusammenschluß sportbegeisterter Schützen in neuentstandenen Vereinen. Insbesondere die Gründung des Deutschen Schützenbundes im Jahre 1861 in Gotha gab dafür wesentliche Impulse. Neben den traditionellen Feuerstutzen trat der neuentwickelte Zimmerstutzen, der ein Schießen in einem geschlossenen Raum zuließ. So bildeten sich neben den Gesellschaften, die das Feuerstutzenschießen ausübten, Vereine, für die der neue Zimmerstutzen die bestimmte Sportwaffe war. In der Folge vieler Vereinsgründungen schlossen sich am 30. Mai 1889 die Vereine der Feuerschützen zum „Oberpfälzer Schützenbund der Feuerschützen“ zusammen. Am 30. Oktober 1898 wurde der „Oberpfälzer Zimmerstutzen Schützenverband“ gegründet. Beide Verbände umfassten in schöner Eintracht die Vereine der gesamten Oberpfalz..
Nach dem ersten Weltkrieg, der wie jeder Krieg tiefe Einschnitte in das Leben der Schützenvereine brachte, kam es am 25. September 1922 zur Bildung einer Interessengemeinschaft Bayerischer Schützenverbände, dem sich auch der Oberpfälzer Zimmerstutzen Schützenverband anschloß. Dieser Interessengemeinschaft Bayerischer Sportverbände gehörten mit dem Oberpfälzer Zimmerstutzen Schützenverband 5 selbständige Schützenverbände Bayerns an. Ziel dieser Vereinigung war gegenseitige Unterstützung und Abstimmung in schießsportlichen Belangen.
Im Jahre 1931 erfolgte eine Namensänderung des Oberpfälzer Zimmerstutzen Schützenverbandes. Das Kleinkalibergewehr kam immer mehr in Mode und das Schießen mit ihm wurde sowohl von den Zimmerstutzenschützen als auch von den Feuerstutzenschützen gepflegt. Dies war der Anlaß, daß man künftig das Wort Zimmerstutzen nicht mehr im Namen führte und sich von da ab „Oberpfälzer Schützenbund“ nannte. Leider war dieser Firmierung nur eine sehr kurze Lebensdauer beschieden. Am 1. Januar 1934 wurden alle bestehenden Schützenverbände aufgelöst. Während der national-sozialistischen Herrschaft wurde uns der Name „Deutscher Schützenverband — Gau Bayerische Ostmark “ diktiert. Auch das währte nur bis zum Jahre 1945. Mit dem Ende des zweiten Weltkrieges wurden alle noch bestehenden Schützenvereine von den Siegermächten verboten und aufgelöst. Doch der alte Schützengeist war dadurch nicht zum Erlöschen zu bringen und als sich die Verbotsbestimmungen allmählich zu lockern begannen, regte sich sofort wieder die Begeisterung für den Schießsport. Obwohl die dafür genehmigten Luftgewehre — kein Schütze hätte früher auch nur daran gedacht, mit einem Luftgewehr zu schießen —nach heutigen Begriffen als minderwertige „Spatzenflinten“ bezeichnet werden müssen, gingen die alten Schützen ungebrochenen Mutes wieder an’s Werk und viele Junge schlossen sich an. Ab 1950 wurden die Vereine wieder gegründet und sofort regte sich auch der Wille zur Wiedergründung des Oberpfälzer Schützenbundes. Der 25. Juni 1950 war der Tag der Wiedergründung des Oberpfälzer Schützenbundes in Schwandorf. 1951 zählte der OSB ca. 1000 Mitglieder in 77 Vereinen. Heute sind es ca. 29000 Mitglieder in 300 Vereinen. Mit dem Wiedererwachen des Schießsports ging von München das Bestreben aus, alle Schützenvereine Bayerns in einem Landesverband zusammen zu schließen.
Der Oberpfälzer Schützenbund bestand aber schon, ehe der Bayerische Sportschützenbund gegründet wurde, und weil man die Selbständigkeit von einst erhalten wollte, schloß man sich als eigener Landesverband dem Deutschen Schützenbund an, schon ehe der Bayerische Sportschützenbund dies tat. Inder weiteren Entwicklung schlossen sich Vereine aus der Oberpfalz dem Bayerischen Sportschützenbund, andere dem Oberpfälzer Schützenbund an. Noch heute besteht dieser Zustand, daß wir in der Oberpfalz einen eigenen Landesverband, nämlich den Oberpfälzer Schützenbund und einen Bezirk Oberpfalz im Bayerischen Sportschützenbund haben.
Die Vereine waren zunächst im Wesentlichen geprägt von der Freude am Schießsport und der Geselligkeit in einer Gemeinschaft, die insbesondere in unseren kleinen Ortschaften von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung sind. Organisatorisch erfolgte eine Einteilung in 14 Gaue. Hier griff man hauptsächlich auf jene Organisationsform zurück, die 1922 von der Interessengemeinschaft Bayerischer Schützenverbände erarbeitet wurde. Allerdings machten die veränderten Verhältnisse auch die Gründung neuer Gaue erforderlich.
Insgesamt gesehen kann man von einer stetigen Aufwärtsentwicklung des Oberpfälzer Schützenbundes reden. Neben Luftgewehr und Luftpistole kamen auch das Kleinkalibergewehr und die Faustfeuerwaffen wieder in Gebrauch, wenngleich die Ausübung dieser Sportarten auf ungleich mehr Schwierigkeiten stieß als das Schießen mit Luftdruckwaffen.
Von den einstigen Schießstätten war kaum noch etwas übrig geblieben. Bei den Neubauten gab es nicht nur finanzielle Leistungen zu erbringen, auch zahlreiche Auflagen hinsichtlich des Immissionsschutzes mußten erfüllt werden. Trotzdem besitzen heute in unserem Bereich wieder 27 Feuerwaffenstände.
Um dem Leistungssport Impulse zu geben, wurden vor allem in diesem Jahrzehnt zahlreiche Lehrgänge für Jugendleiter, Übungsleiter, Kampfrichter und Trainer abgehalten.
Ein besonderer Meilenstein in der Geschichte des Oberpfälzer Schützenbundes ist der Bau des Leistungszentrums in Pfreimd, dessen erster Bauabschnitt im Oktober 1985 eingeweiht wurde und mit dessen Fertigstellung in diesem Jahr zu rechnen ist. Diese Schießsportschule, in der in der Halle -— und damit auch im Winter - mit Kleinkaliber auf 50 m und mit Faustfeuerwaffen auf 25 m trainiert werden kann, wird sicher dazu beitragen, die sportlichen Leistungen zu steigern. Ein als Angestellter tätiger Landestrainer
leistet hier in der Jugend- und Kaderausbildung hervorragendes, so daß sich schon nach kurzer Zeit Erfolge abzeichnen werden.
Neben dem traditionellen Preisschießen haben sich die Rundenwettkämpfe so gut eingeführt, daß wir heute in allen Schützenklassen und vielerlei Disziplinen Mannschaften in Gau-, Kreis-, Bezirks- und Landesligen im Einsatz haben. Gerade die erfreuliche Aufwärtsentwicklung, wie sie vor allem in den letzten Jahren zu beobachten ist, berechtigt zu großen Hoffnungen für die Zukunft. Unser Deutscher Schützenbund hat im Oberpfälzer Schützenbund einen Landesverband, der seine Aufgabe sehr ernst nimmt und sich tatkräftig einsetzt, daß die sportliche Leistungsfähigkeit gesteigert wird und die Ideale unseres Schützenwesens erhalten und weitergetragen werden.
(Text von Anton Kuchenreuter, OSB-Präsident)